Warum Sie jetzt ZWEI Jahresabschlüsse brauchen: 5 brennende Fragen nach einer amerikanischen Übernahme

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130 bis 140 deutsche Unternehmen werden jedes Jahr von amerikanischen Konzernen übernommen – und stehen plötzlich vor einer riesigen Herausforderung: Sie müssen völlig neu bilanzieren.

Denn nach einer Übernahme werden zwei Jahresabschlüsse notwendig: Der gewohnte nach HGB, um deutschem Recht zu entsprechen – und ein neuer Abschluss nach den sogenannten US-GAAP.

Sie haben noch keine Ahnung, was das überhaupt bedeutet? Was jetzt auf Sie zukommt?

Wir haben die wichtigsten Antworten auf fünf brennende Fragen zusammengetragen.

 

1. Was unterscheidet den deutschen Jahresabschluss vom amerikanischen?

Grundsätzlich wollen beide Abschlüsse das Gleiche: Außenstehende sollen einen Einblick in die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens bekommen. Aber hier hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf, denn die Schwerpunkte sind sehr unterschiedlich:

  • Hauptziel des HGB ist es, den ausschüttbaren Gewinn vorsichtig zu ermitteln und dadurch möglichst viel Kapital im Unternehmen zu belassen. Im Zweifel soll eher weniger als zu viel an die Anteilseigner ausgeschüttet werden, damit der Fortbestand des Unternehmens auf jeden Fall gesichert ist.

    So sollen die Gläubiger und Gesellschafter des Unternehmens vor finanziellen Risiken geschützt werden – und das sind in Deutschland häufig Banken. Die sind nicht so sehr an kurzfristigen Ausschüttungen interessiert, sondern an langfristiger Stabilität. Nur so erhalten sie schließlich ihre Kredite zurück.

    Gewinne zählen deshalb nach HGB erst, wenn auch wirklich Geld fließt – etwa, wenn ein Vermögenswert des Unternehmens steigt und zu einem höheren Preis verkauft werden kann. Verluste dagegen fließen bei der Bilanzierung nach HGB immer in die Rechnung mit ein, auch, wenn sie noch nicht eingetreten (aber schon absehbar) sind.

    Am Ende stehen damit eher geringere Gewinne auf dem Papier – und so fallen auch die Ausschüttungen niedriger aus.
  • Die US-GAAP stellen hingegen die bessere Information und die Interessen aktueller und potenzieller Kapitalgeber in den Mittelpunkt – und das sind in den USA häufiger als in Deutschland private Kapitalgeber, bzw. eine Vielzahl von Anteilseignern, wie z.B. Fonds. Für diese ist natürlich ein möglichst hoher Gewinn interessant – denn dann erhalten sie auch mehr Ausschüttungen.

    Hier zwei Beispiele: Übernimmt eine Firma langfristige Fertigungsaufträge für einen Kunden, so kann sie jedes Jahr anteilige Gewinne aus bereits erbrachten Leistungen in das Unternehmensergebnis einbringen. Nach HGB wäre für so eine Vorgehensweise nicht möglich. Und bei bestimmten Wertpapieren ist es nach US-GAAP auch möglich, einen Marktpreis über den Anschaffungskosten anzusetzen. Nach HGB ist das tabu.
  • Ein weiterer entscheidender Unterschied: Der HGB-Einzelabschluss ist Grundlage für die Besteuerung, wohingegen die US-GAAP für die Steuer keine Rolle spielen.

 

2. Woher kommen diese Unterschiede?

Erklären lässt sich das aus der Historie: In Deutschland legt traditionell der Gesetzgeber das Handelsrecht verbindlich fest, und zwar für alle Unternehmen. Allgemeingültig formulierte Regelungen und abstrakte Grundsätze schaffen einen Rahmen, bei dem juristische und steuerliche Aspekte im Vordergrund stehen.

Andere, etwa private Organisationen haben deshalb in Deutschland nur sehr begrenzten Einfluss auf die Rechnungslegungsvorschriften.

Anders in den USA: Hier entstehen die Vorschriften zur Rechnungslegung nicht durch den Staat, sondern ausschließlich durch private Organisationen. Das sind berufsständische Organe der Wirtschaftsprüfer, Fachorganisationen, Bilanzersteller und die Börsenaufsicht. Die US-GAAP klären viele einzelne Bilanzierungsprobleme ganz explizit – wie Rezepte in einem Kochbuch – und orientieren sich dabei eher an betriebswirtschaftlichen Kriterien.

Rechtlich verbindlich sind sie – anders als das HGB –  für sich genommen nicht. Trotzdem kommen viele Unternehmen nicht um sie herum: Weil sie in den USA börsennotiert sind und deshalb der amerikanischen Börsenaufsicht unterliegen, oder weil sie aus anderen Gründen die US-GAAP anwenden, etwa, weil Banken oder Aktionäre das wollen. Denn in den genannten Fällen muss der Wirtschaftsprüfer die Anwendung dieser Grundsätze testieren.

 

DAS WICHTIGSTE ÜBER HGB UND US-GAAP IM PRAKTISCHEN ÜBERBLICK

  • Was unterscheidet die beiden Regelwerke?
  • Welche Stichtage gibt es?
  • Was gehört in den Jahresabschluss?

3. Was verändert sich nun ganz konkret für uns?

 

Sie müssen sich und Ihre Mitarbeiter fit in US-GAAP machen:

Gibt es in Ihrem Team einen Mitarbeiter, der schon mal für ein anderes Unternehmen Abschlüsse nach US-GAAP erstellt hat?

Das wäre der Jackpot.

Ansonsten müssen Sie Ihre Mitarbeiter zunächst in der Rechnungslegung nach US-GAAP fit machen.

Aber: Es ist wichtig, dass auch Sie ein Grundverständnis haben, um mitreden zu können. Lassen Sie sich dabei unbedingt die Vorgaben des Konzerns übersenden. Achtung: Hier kann es sinnvoll sein, dass Sie die Vorgaben zunächst übersetzen lassen, um schnell prüfen zu können, was für Sie relevant ist.

Und: Kontaktieren Sie rechtzeitig Ihren Abschlussprüfer und klären Sie ab, ob dieser auch Abschlüsse nach US-GAAP prüft. Nicht selten erlebe ich, dass man mit lokalen Prüfungsgesellschaften zusammenarbeitet, die das nicht abbilden können.

 

Sie müssen neue Termine einhalten:

Häufig ist es so, dass Sie einen konkreten Terminplan aus den USA erhalten, den es einzuhalten gilt. Um die Auswertungen pünktlich weitergeben zu können, macht es Sinn, dass Sie selbst einen Terminplan erstellen – so wissen alle Beteiligten, was Sie wann zu liefern haben.

Beachten Sie hierbei auch, dass es nicht nur monatlich, sondern auch zum Quartals- und Jahresabschluss neue Termine gibt, die es einzuhalten gilt. 

Dies zu meistern, ist nicht leicht. Daher empfehle ich Ihnen hier dringend, dass Sie sich Unterstützung suchen. Genau hierfür habe ich den Monatsabschluss-Check entwickelt. Nähere Informationen dazu finden Sie hier.

Sie müssen neue Zahlen liefern:

Bislang hatten Sie nach HGB keine Pflicht zur Aufstellung von Monats- und Quartalsabschlüssen, sodass Sie individuell festlegen konnten, ob und wann sie ihre Abschlüsse machen.

Nach einer amerikanischen Übernahme aber gibt der neue Eigentümer dies vor. Für jeden Monats-/Quartals- und Jahresabschluss erhalten Sie ein Reporting-Package, das die entsprechenden Auswertungen enthält, die von Ihrer Seite aus auszufüllen sind.

Beginnen Sie schon früh damit, die Anforderungen zu prüfen: Welche Zahlen werden gefordert? Können Sie diese überhaupt liefern? Oder brauchen Sie dafür z.B. ein neues Customizing in SAP? Könnte zunächst eine Excel-Lösung weiterhelfen?

Dauerhaft ist ein Excel aber keine Lösung – Sie sollten also möglichst schnell eine andere finden.

4. Warum müssen wir trotzdem weiter den HGB-Abschluss erstellen?

Der Einzelabschluss nach HGB hat einige wichtige Funktionen, die ein Abschluss nach US-GAAP nicht erfüllen kann:

  • Ihre Anteilseigner in Deutschland sollen weiter Ausschüttungen erhalten. Und dafür brauchen Sie den HGB-Jahresabschluss – das ist in Deutschland rechtlich vorgeschrieben. Näheres dazu finden Sie unter den Vorschriften zur Gewinnverteilung nach HGB (z.B. § 121 und § 168), Aktiengesetz (§ 174) und GmbH-Gesetz (§ 29). In den USA dagegen wird die Höhe von Ausschüttungen allein vom Verwaltungsrat des Unternehmens bestimmt. Außerdem ergibt sich aus den Veröffentlichungsvorschriften im Publizitätsgesetz die Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses.
  • Auch müssen Sie weiterhin in Deutschland Steuern zahlen. Der US-GAAP hat aber keinerlei Bedeutung bei der Berechnung von Steuern. Dafür wird allein der HGB-Jahresabschluss als Grundlage für die Ermittlung des steuerlichen Gewinns genutzt (Maßgeblichkeitsprinzip).
  • Teil des HGB-Jahresabschlusses ist der Lagebericht. Dieser wird benötigt, damit die Geschäftsleitung Rechenschaft ablegen kann, etwa gegenüber den Anteilseignern des Unternehmens. Darin sind zum Beispiel der Stand des Vermögens und der Schulden des vergangenen Geschäftsjahres enthalten.

 

5. Müssen wir auch die Konzernabschlüsse nach deutschem UND amerikanischem Recht machen?

Nicht unbedingt. Unter bestimmten Voraussetzungen können sich Unternehmen vom HGB-Konzernabschluss befreien lassen, wenn ein Konzernabschluss nach US-GAAP erstellt wird (befreiende Wirkung internationaler Abschlüsse aus Drittstaaten nach § 292 HGB).

Denn in Deutschland ist dieser Abschluss von geringerer Bedeutung: Er hat nur zusätzliche informative Zwecke und wird nicht für die Bemessung von Steuern und Ausschüttungen herangezogen. Viel bedeutender ist der Einzelabschluss, der in jedem Fall gemacht werden muss.

In den USA ist es genau umgekehrt: Hier ist der Konzernabschluss elementar – der Einzelabschluss dagegen hat keine sehr wichtige Funktion. Deshalb kann er nicht den Einzelabschluss nach deutschem Recht ersetzen.

 

Weitere interessante Links zum Thema: Termine/Deadlines:

Podcast-Episode: Eine Deadline ist eine Deadline sowie meinen Beitrag auf dem WiWo-Management-Blog Gebrauchsanweisung für US-Arbeitgeber: Deadlines sind kein Spaß. 

 

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